Auf dieser Seite gibt es ausnahmsweise kein Rezept, sondern lediglich ein paar Worte und Wissenswertes zum französischen Ritual des Apéritifs
In Frankreich ist der Apéritif – abgekürzt ‚Apéro‘ – ganz selbstverständlicher Auftakt einer Mahlzeit. In Betriebskantinen gibt es ihn freilich nicht, aber wenn Bürokollegen gemeinsam im Restaurant um die Ecke ihr Mittagsessen einnehmen, dann wird niemand schief angesehen, nur weil er tagsüber Alkohol trinkt.
Mein Schwiegervater – Bar/Restaurant Besitzer i.R. – schaut immer demonstrativ auf seine Uhr, wenn gegen 12 Uhr ein Streifenwagen mit Blaulicht und quietschenden Reifen ganz hektisch um die Ecke kommt, und ruft dann erstaunt: „Ja ist denn schon Zeit für den Apéro?“ (Hoffentlich schaffen sie es noch rechtzeitig ins Revier, denn die Kollegen warten mit dem Anstoßen nicht auf Nachzügler).
Ein Essen im Familien- oder Freundeskreis ohne Apéritif habe ich eigentlich noch nie erlebt. Im Süden gibt es meist Oliven, Crostini mit Tapenade u.ä. dazu, in der kühleren und eher rustikalen Auvergne Scheiben von deftiger Salami oder Schinken, bei nicht geplanten Apéros zumindest Chips, Erdnüsse o.ä. … Hauptsache irgendwas zum knabbern um den Magen zu aktivieren, oder auch um die Zeit zu überbrücken, auf Nachzügler zu warten.
Der klassische Apéritif ist der auch außerhalb Frankreichs bekannte Kir – Weißwein mit einer so genannten Crème de…, also einem Likör. Mit Champagner statt Wein heißt er dann Kir Royal. Der original-Kir wird mit dem Weißwein ‚Bourgogne Aligoté‘ zubereitet, aber da der meist ein bisschen teurer ist, wird oftmals einfach Chardonnay oder Sauvignon verwendet. Ehrlich gesagt schmeckt man den Unterschied kaum/nicht, da der süße Likör die Weinaromen teilweise überdeckt.
Bestellt man einen „Kir“, ist damit das Original gemeint, das mit ‚Cassis‘-Likör – schwarzer Johannisbeere – zubereitet wird. Likörhersteller empfehlen gerne 1 Teil Likör und 4 Teile Wein (sie wollen ja den Likörumsatz erhöhen), oft ist das aber dann ein bisschen zu süß. Ich lasse meist jeden sich selbst bedienen.
Für den Kir Royal wird statt Champagner immer öfter ein Crémant verwendet. Das sind nach der Champagnermethode hergestellte Schaumweine, die nicht aus der Champagne kommen – sehr beliebt ist der elsässische Crémant d’Alsace. Crémant sind selbst pur genossen, sehr gute Schaumweine, kosten aber weniger als die Hälfte oder sogar nur ein Viertel eines Champagners.
Statt dem oben genannten Cassis-Likör werden immer häufiger auch andere Liköre angeboten: Brombeere, Himbeere, Erdbeere, aber auch ausgefallenere wie beispielsweise Likör (oder Sirup) der Charantais-Melone, Likör von Apfel und Birne, oder nur Birne allein. Auch ein Kir mit Pfirsich oder noch besser vom Weinbergpfirsich erfreuen sich vor allem im Sommer immer größerer Beliebtheit.
Im Winter darf es auch mal etwas schwerer sein: Cassis-Likör auf Rotwein satt weißem. Offiziell heißt der dann ‚Communard‘ oder ‚Cardinal‘. In Dijon, aus der der klassische Cassis-Likör stammt, wird dieser wegen der fast schwarzen Mischung des Johannisbeerlikörs und des Rotwein auch manchmal kurz ‚Kir noir – schwarzer Kir‘ genannt.
Ein weiterer Klassiker des Apéritifs ist natürlich der Pastis. Ich persönlich liebe Pastis – aber nur wenn es heiß ist; im Winter schmeckt er mir nicht.
Die verschiedenen Pastis gehen geschmacklich zwar immer in die gleiche Richtung, unterscheiden sich aber dennoch sehr. Kein Wunder: mein Lieblingspastis (links) enthält schließlich nicht weniger als 65 verschiedene Kräuter und Aromen.
Mein anderer Favorit ist der grüne Pastis, eine Kreation eines Freundes meines Schwiegervaters. Er enthält fiebersenkende und entzündungshemmende ‚Verveine‘ (Eisenkraut) – wird aber leider trotzdem nicht von der Krankenkasse erstattet.
Pastis muss kalt getrunken werden: 2 oder 4 cl Pastis, dazu Eiswürfel und kaltes Wasser. Best Mix: 1 Teil Pastis auf ca. 5 Teile Wasser.
Für den Sommer setzte ich selbst ‚Vin d’orange‘ – Orangen Wein – an: Bitterorangen, Zucker, Vanilleschote, Roséwein und geschmacksneutraler Trinkalkohol.
Nach 40 Tagen wird er gefiltert und in Flaschen abgefüllt. Wer Campari-Orange mag, wird ihn auch lieben.
Eine Variation des Apéritifs ist der ‚Apéritif dînatoire‚.
Hier ist der Apéritif keine Einleitung, sondern das Essen selbst. Soll heißen: es gibt nichts anderes. Der Zusatz ‚dînatoire‘ kommt von ‚Dîner‘ = Abendessen. Das macht man, wenn man sich – Mittags oder Abends – unter Freunden trifft, etwas zu besprechen hat und der Hausherr nicht dauernd in der Küche verschwinden soll, um den nächsten Gang aufzutragen.
Man beginnt mit dem klassischen Apéritif und geht dann zwanglos zu anderen Getränken – Wein, Bier etc – über, während die ganze Zeit Fingerfood zur Selbstbedienung auf dem Tisch steht, so dass man am Schluss satt ist.